Lebenslauf Bent Heine Havsteen

Berichtserstattung

H wuchs im Schatten des zweiten Weltkrieges und während dem Wiederaufbau Europas auf. Er lernte früh die Notwendigkeit einer guten Ausbildung und folgte seine naturwissenschaftliche Interessen, in dem er ein international anerkanntes und verwendbares Studium suchte. Er wählte deshalb das Studium, das damals in Dänemark als das schwierigste galt, und das die höchsten Abiturnoten für den Einlass erforderte. Das war das Chemieingenieurstudium (Verfahrenstechnik).

Nach seiner zwei-jährigen Wehrplicht, die er hauptsächlich an der Schule für die Verteidigung gegen den atomaren, biologischen und chemischen Krieg ableistete, suchte er eine Stelle im Ausland, um internationale Erfahrung zu gewinnen. Da die Fremdsprache, die er am besten beherrschte, Englisch war, suchte er mit Hilfe seines Onkels, der Direktor einer international tätigen Rückversicherungs-gesellschaft war, eine Stelle in Australien, da in dem Land die industrielle Entwicklung derzeit schnell verlief, weshalb der dortigen Bedarf nach akademischem Personal hoch war. Da H seine Diplomarbeit über ein technisch-biochemisches Thema (Gärungsindustrie) geschrieben hatte, suchte er eine Stelle an Colonial Sugar Refining Co. Ltd. in Sydney. Diese Firma war derzeit die fünft grösste Australiens und beschäftigte rund 30000 Mitarbeiter.

Nach einem Einstellungsgespräch in London wurde H als „research chemist“ angestellt und erhielt die Aufgabe unter der Anleitung von Dr. Max Smythe die Kristallisation von Saccharose zu erforschen. Nach einem Aufenhalt von 13 Monaten in Australien nährte H den Wunsch im Fach der Biochemie zu promovieren. Er erhielt das Angebot auf Kosten der Firma an der Universität Cambridge im Fach der Kolloidchemie zu promovieren. Da dieses Angebot aber mit der Verpflichtung zur Rückkehr in die Firma für mindestens fünf Jahre verbunden war, zog er es vor statt dessen sich an der Cornell Universität um eine Stelle als Unterrichtsassistent für Biochemie mit der Möglichkeit einer anschliessenden Promotion zu bewerben.

H bewarb sich auch erfolgreich um ein Fulbright-Reisestipendium, mit dem er nach den USA reiste. Nach einem Jahr an der Cornell Universität wurde seine Stelle in die eines Forschungsassistents umgewandelt. H wurde nach der Promotion weiter als „Instructor of Biochemistry“ beschäftigt, und da sein Doktorvater, Professor, Dr. George P. Hess, für ein Jahr nach Göttingen auf „Sabbatical Leave“ reiste, wurde H gebeten seine Lehr- und Forschungs-verpflichtungen in der Zwischenzeit zu verwalten. Nach der Rückkehr von Professor Hess nach Ithaca, bewarb H sich bei der wissenschaftlichen Abteilung der NATO um ein Forschungsstipendium, um die von Professor Hess in Göttingen angefangene Forschungsarbeit fortsetzen zu können. Nach drei Jahren als Stipendiat in der Gruppe von Professor Eigen in Göttingen bewarb H sich um eine Stelle als Dozent für Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Aarhus in Dänemark, um dort habilitieren zu können. Es erwiess sich aber derzeit noch nicht möglich in Aarhus für das Fach Biochemie zu habilitieren, weshalb die Habilitation an der Universität Kopenhagen erfolgte.

1972 erhielt H von der Universität Kiel die Aufforderung sich um den nach der Emeritierung von Professor Hans Netter frei gewordenen Lehrstuhl für Physiologische Chemie in der Medizinischen Fakultät zu bewerben. H nahm am Wettbewerb teil und erhielt in Oktober 1972 den Ruf auf den Lehrstuhl.

Forschungsthema Enzymkatalyse

Der Schwerpunkt in der Forschung von H war während seiner ganzen, wissenschaftlichen Laufbahn das Studium des Mechanismus der Enzymkatalyse. Dieses Thema hat ihm seit seiner anfänglichen Forschungsarbeit während der Wehrpflicht an der Dänischen Pharmazeutischen Hochschule über die Hemmung des Azetylcholinesterase durch Organophosphate fasziniert. Dieses Interesse wurde während seiner Erforschung in Sydney des Mechanismus der Saccharose-kristallisation verstärkt; denn er erdeckte, dass die Hemmung der Wachstums-zentren auf den Kristallen , die sogenannten Dislokationen, durch Oligo-sacchariden wie Kestose mit dem Formalismus der Enzymologie beschrieben werden konnte.

An der Cornell Universität in den USA stand die Erforschung des katalytischen Mechanismus des Verdauungsenzyms Chymotrypsin im Vordergrund, da viele Eigenschaften dieses Enzyms schon damals bekannt waren, und da das Enzym billig, in reiner Form und in grossen Mengen verfügbar war. Wir hemmten dieses Enzym irreversibel aber spezifisch mit einem Organophosphat oder mit Haloketonen, die H selbst synthetisierte. Anschliessend wurden die strukturellen Unterschiede zwischen dem freien und dem gehemmten Enzym u.a. durch UV-Spektralspektralphotometrie, optische Rotationsdispersion und die Aufnahme von Titrationskurven charakteriziert. H fand, dass 2 der 4 Tyrosinreste durch die spezifische Acylierung des aktiven Zentrums eine grosse Verschiebung ihrer phenolischen pK-Wertes erlitten hatten, welches als eine Verdichtung der Umgebung des aktiven Zentrums gedeutet wurde. Diese Annahme wurde durch die Registrierung einer entsprechenden Änderung in der Sekundärstruktur des Enzyms verstärkt und später durch eine Diffraktometrie bestätigt.

Die Hauptthese der Doktorarbeit von H war die Existenz einer Konformations-änderung in Chymotrypsin, die den katalytischen Vorgang begleitete und regulierte. Die Titrationskurven hatten gezeigt, dass diese Konformations-änderung durch eine vom Substrat verursachte pK-Verschiebung einer jonisierenden Gruppe von einem pK-Wert um 9 ausgelöst wurde. Diese Gruppe wurde wegen ihrem pK-Wert und der Inaktivierung des Enzyms durch eine selektive Azetylierung der α-Aminogruppen vorläufig als ein N-Terminus identifiziert. In der später aufgeklärte räumliche Struktur wurde diese Aminogruppe als der N-Terminus der B-Kette des Enzyms erkannt. Er fungierte als Schalter der enzymatischen Aktivität.

In Göttingen, wo Professor Eigen und seine Mitarbeiter die chemischen Relaxationsverfahren entwickelt hatten, die ein Studium der Elementarschritte einer chemischen Reaktion erlaubten, hatte Professor Hess ein Projekt über die Kinetik der Wechselwirkungen zwischen Chymotrypsin und dem chromogenen, kompetitiven Inhibitor Proflavin angefangen. Es wurde von H weitergeführt. Seine Ergebnisse zeigten eindeutig, dass die anfängliche Bindung von Proflavin an das Enzym von einer Isomerisierung des Enzym-Inhibitor-Komplekses nachfolgt wurde. Dadurch wurde die an der Cornell Universität formulierte Hypothese bewiesen.

H untersuchte dann in Göttingen, ob das Prinzip der Konformationsänderung des Enzyms als Teilschritt des katalytischen Mechanismus allgemein sei. Das konnte er mit dem glykolytischen Schlüsselenzym Glyzerinaldehyd-3 Phosphat-Dehydrogenase bestätigen. Ausserdem fand er eine Konformationsänderung im Atmungskettenprotein Cytochrom C, die die Elektronenübertragung begleitete. In Göttigen baute H auch in Zusammenarbeit mit Dr. Louis DeMayer eine neue Temperatursprunganlage mit der Temperatursprünge auf eine sich in Strömung befindende Flüssigkeit gelegt werden konnten. Mit diesem Gerät konnten die kinetischen Eigenschaften von kurzlebigen Zwischenprodukten im katalytischen Vorgang auch dann erfasst werden, wenn nur kleinen Substanzmengen verfügbar waren.

H nahm dann eine Stelle als Oberassistant am Biochemischen Institut der Medizinischen Fakultät in Aarhus an, um beweisen zu können, dass er auch zu selbständiger Forschung fähig war. Da inzwischen die räumliche Struktur von Chymotrypsin in Cambridge aufgeklärt worden war, baute H in Aarhus ein Modell dieses Enzyms im Massstab 1: 50 x 106 (za. 2 x 2 x 2 m) auf. Auf diesem Modell konnte er die Entfernungen zwischen chemisch modifizierbaren Gruppen direkt messen. Er baute anschliessend mit Hilfe von bivalenten Imidaten Brücken über die Hauptkettenschleife, die an der Aktivitäts-regulierende Konformations-ändering beteiligt war, um dadurch ein stabileres Enzym, das sich nicht autolysierte, zu erhalten. Es gelang ihm dadurch die katalytisch aktive Konformation zu fixieren und die spezifische Aktivität tausend-fach zu erhöhen. Anschliessend baute H das stabilisierte Enzym durch begränzte Proteolyse zu 20 % der ursprüngliche Grösse ab, ohne viel Aktivität zu verlieren. Dadurch hoffte er ein kleines Enzym herzustellen, das auch synthetisiert werden könnte, und das die gewöhnliche, immunologene Eigenschaft nicht besass.

Ein anderes Projekt, das H in Aarhus anfing, war die Enzymkatalyse in einem nicht-wässrigen Lösungsmittel. Die Idee zu diesem Projekt, die aus der Schweiz stammte, war, die Proteinsynthese mittels proteolytischen Enzymen durch Verringerung der Wasserkonzentration zu ermöglichen. Es gelang ihm in dieser Weise mit Chymotrypsin in einer Dioxan-Wasser-Mischung Oligomere von Aminosäuren mit hydrophoben Seitenketten herzustellen. Diese Methode wurde anschliessend bei der Humanisierung von Schweineinsulin industriell genutzt, da das Insulin des Schweines sich nur durch die C-terminale Aminosäure vom Insulin des Menschen unterscheidet.

H habilitierte sich in Kopenhagen für das Fach Biochemie mit einer Verallgemeinerung der These über die Konformationsänderungen in Enzymen, die ihre Katalyse begleiten. Diese These ist bislang unangefochten geblieben. Als H den Ruf auf den 2. Lehrstuhl für Physiologische Chemie i Kiel annahm, löste er seine Gruppe in Aarhus auf und gründete eine neue Gruppe in Kiel, der zwei seiner Bekannten aus Göttingen sich anschliessen. Er übernahm das Erdgeschoss des gegenwärtigen Altbaus des Instituts, das wegen des Umzugs des Physiologischen Instituts soeben frei geworden war. Der Bereich wurde im folgenden Jahr völlig neu gestalltet und mit neuen Labormöbeln sowie Geräten ausgestattet. Erst bei seiner Emeritierung wurde eine neue Modernisierung fällig.

H setzte in Kiel sein Studium der Enzymkatalyse fort. Dabei entwickelte er eine Methode zur vollständigen Aufklärung der Kinetik jedes erdenklichen Falls der Enzymkatalyse in Lösung. Ein Ergebnis war, dass Dr. Ramus Varón aus Albacete in Spanien sich meldete, und die Mitarbeit seiner Forschergruppe bei der Entwicklung von Methoden zum Studium der Kinetik komplizierter biochemischer Reaktionen anbot. Aus dieser Zusammenarbeit sind bislang etwa 50 wissenschaftliche Artikel in angesehenen Zeitschriften erschienen.

Das Studium der Proteasen wurde auf Anregung der Mikrobiologen in Kiel auf Enzymen im Saft der fleisch-fressenden Pflanze Nephendes ausgedehnt. Diese Enzyme ähnelten den menschlichen Verdauungsenzymen in hohem Masse, sowohl in der Struktur als auch in der Funktion.

Kinetik der Osmose

Da der Lehrstuhl von Professor Netter weltweit wegen seiner Arbeiten über biologische Membranen bekannt war, und da diese Strukturen derzeit trotz ihrer Aktualität in Zusammenhang mit aktiven Transportvorgängen noch nicht ausreichend aufgeklärt worden waren, fing H ein Membranprojekt an. Aus seiner Studienzeit in Kopenhagen erinnerte er sich die Bemerkung von Professor Brøndsted, dass die osmotische Kraft einer Membrane, wie es in Pflanzen und Tieren ersichtlich war, industriell zur Energiegewinnung genutzt werden könnte, wenn es gelang einfache Membranen künstlich herzustellen; denn der Unterschied in Salzkonzentration zwischen Fluss- und Meereswasser würde ausreichen, um ein grosses Kraftwerk zu versorgen.

Es fiel auch H auf, dass obwohl die Entstehung der osmotoschen Kraft seit Ostwald gründlich aufgeklärt worden war, hatte kein Forscher sich um eine Untersuchung der Kinetik dieses Phänomens bemüht. Nun waren inzwischen mehrere künstliche Membranen auf Zelluloseazetat- und Polykarbonat-Basis hergestellt worden, die sich wegen ihrer kleinen Porengrösse für solche Studien eigneten. H baute deshalb eine kleine Osmosezelle, in der eine Membrane der Membrandivision der Dänischen Zuckerfabriken untergebracht wurde. Ihre Porengrösse war 30 Á. Auf der einen Seite der Membrane wurde eine Salzlösung bekannter Konzentration und ein Steigrohr angebracht, und auf der anderen Seite wurde destilliertes Wasser eingegeben. Die Konzentrationsanhängigkeit der osmotischen Flussgeschwindigkeit wurde dann für Vertreter fast jedes Metallelements des periodischen Systems gemessen., und die zugehörigen kinetischen Parameter wurden ermittelt. Anschliessend konnte eine Gleichung aufgestellt werden, mit der der osmotische Fluss aus atomaren Parameter der anwesenden Jonen berechnet werden konnte.

Eine Hochrechnung zur Abschätzung der Möglichkeit einer Energieerzeugung mit Hilfe von osmotischer Kraft zeigte leider, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Umkehrosmosemembran von der erforderlichen Qualität zu teuer war, wenn die Haltbarkeit und der Reinigungsbedarf  berücksichtigt wurden. Nun, 20 Jahre später, sind aber bessere Membrane im Handel erhältlich, weshalb die Dänische Technische Universität in diesem Sommer einen gross angelegten Versuch in Norwegen mit einem Prototyp eines Osmosekraftwerks unternehmen wird. Eine andere mögliche Anwendung der oben genannten Gleichung ist die Berechnung der notwendigen Dialysezeit für Patienten mit Nierenleiden. Da eine lange Dialysezeit mit dem Risiko der Hämolyse verbunden ist, könnte eine solche Berechnung die Patienten schonen.

Oxazolone

In Zusammenarbeit mit dem Assistenten  Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Baese wurden eine Anzahl von Aminosäurenderivaten vom Typ der Oxazolone auf ihrer Eignung als Substrate der Proteasen im Blut untersucht. Dr. Baese synthetisierte eine grosse Anzahl von chromogenen und fluoreszierenden Oxazolonen, die zur Bestimmung der spezifischen Aktivität und der operationellen Normalität des aktiven Zentrums von Serinproteasen verwendet wurden. Diese Enzyme treten bei der Blutgerinnung und bei leukämischen Krankheiten auf. Da die enzym-katalysierte Öffnung der Oxazolone eine grosse Verschiebung des Absorptions-spektrums im sichtbaren Bereich und des Fluoreszenzemissionsspektrums bewirkte, erwiesen diese Substanzen sich als sehr empfindliche Reagenzien zur Feststellung des Gerinnungsstatusses. Dieses Projekt, das die Grundlage der medizinischen Promotion von Herrn Dr. Baese bildete, wurde vom hämatologischen Labor der Klinik für Innere Medizin mit Zufriedenheit entgegengenommen.

Beteiligung am Sonderforschungsbereich 111

Lymphatisches System und Organtransplantation

Da die Forschungsgruppe von H mit mehreren Assistenten mit Erfahrung in der biochemischen Immulogie ergänzt worden war, wurde mehrere Projekte vom Lehrstuhl dem SFB 111 angeboten. Ein solches Projekt unter der Mitarbeit von Dr. Han Bauman aus Leiden umhandelte Strukturänderungen in der Plasmamembran der Lymphozyten, die zu Leukämiezellen onkogen umgewandelt worden waren. Wir fanden bei gewissen Leukämietypen eine Proportionalität zwischen dem Gehalt an Sialinsäure auf der Aussenseite der Plasmamembran und dem Index der Malignität, d.h. dem Entwicklungsstand der Krankheit. Diese Konklusion stützte sich insbesondere auf Messungen der elektrophoretischen Mobilität isolierter Plasmamembranen, da jedes Sialinsäuremolekül eine freie Karboxylgruppe trägt. Die Methode hat den erheblichen Vorteil, dass sie nur wenig Zeit erfordert.

Ein anderes SFB-Projekt, das in Zusammenarbeit mit den Assistenten  Dr. rer.nat. Hilmar Lemke, Dr. rer.nat Hinrich Hansen, Dr. rer.nat. Peter Froese und Dr. rer.nat. Hannes Gerdes vorgeschlagen wurde, war die Erzeugung von monoklonalen Antikörpern gegen Zelloberflächenepitope, die für leukämische Lymphozyten charakteristisch sind. Zwei solcher MIg, Ki 1 und Ki 67, erwiesen sich als besonders nützlich; denn Ki 1 zeigte schnell und mit grosser Sicherheit Hodgkinsche Zellen an, und Ki 67, dessen Epitop intrazellulär auftritt, wurde ein nützlicher Indikator für eine schnelle Zellvermehrung, die oft mit onkogenen Prozessen verbunden ist.

Da mehrere unserer Projekte vom SFB 111 aufgenommen wurden, und da ein Vertreter des Faches Biochemie erwünscht war, wurde H in den Vorstand des SFB 111 gewählt. Bei der Verlängerung des SFBs 111 nach der ersten fünf-jährigen Laufzeit wurde ein neues Projekt des Lehrstuhls aufgenommen. Es war eine Weiterentwicklung des Ki 1-Projektes und umhandelte Signalwege von der Plasmamembran durch das Zytoplasma in den Zellkern hinein. Zwei Epitope für Ki 1 wurden gefunden. Die eine war Plasmamembran-ständig. Sie erwiess sich nach der Sequenzierung als ein mutierter Tumornekrosefaktorrezeptor, dessen Antennenfunktion auf der Aussenseite der Zelle ausgefallen war. Das andere Epitop war löslich. Es wurde von einer Serin/Threonin-spezifischen Protein-phosphokinase phosphoryliert und drängte sich durch die Kernpore bis zu den RNA-produzierenden Nukleosome hervor. Leider konnte das letztgenannte Epitop wegen besonders stabilen Sekundärstrukturen seiner RNA nicht vollständig sequenziert werden. Wir stellten einen enge Beziehung dieses Ki 1-Epitops zum regulatorischen Protein τβ fest, aber eine nährere Charakterizierung dieser Wechselwirkung steht noch aus.

Fötale immunologische Prägung durch die Plazentamembran

Ein Ausläufer eines der SFB 111-Projekte, die von Professor Hilmar Lemke geleitet wurden, war die Idee, die von ihm stammte, dass Immunnetzwerke im Sinne vom Nobelpreisträger Niels Jerne eine Rolle bei der Kommunikation zwischen Immunzellen spielen. Seine Beobachtung war, dass bei Mäusen immunologische Eigenschaften über die Generationen hinweg non-genetisch übertragen wurden. Er bestätigte dieses durch Impfung der werdenden Mütter kurz vor der Geburt mit einem nicht-physiologischen Antigen und Analyse des immunologischen Status des Wurfes. Eine direkte Übertragung von Immun-globulinen über die Plazentamembran konnte ausgeschlossen werden. Dr. Lemke sucht noch nach eine Erklärung dieses Phänomens.

Isolierung und Charakterizierung des ACTH-Rezeptors

Der Diplombiologe Hartmut Lüddens bewarb sich beim Lehrstuhl um einen Arbeitsplatz as Doktorand mit dem Wunsch eine endokrinologische Arbeit zu schreiben. Da Dr. Hilmar Lemke kurz davor als wissenschaftlicher Assistent angestellt worden war mit dem anfänglichen Ziel die Technik der Herstellung monoklonaler Antikörper in Kiel zu etablieren, und da die Hormonfirma Ferring GmbH neulich ihr Hauptlabor nach Kiel gezogen hatte, schlug ich eine Zusammenarbeit zwischen Lemke, Ferring und Lüddens vor; denn Lemke lernte als erster Deutscher die Technik der Herstellung von MIg, Ferring hatte viel endokrinologische Erfahrung mit kleinen Peptidhormonen, insbesondere ACTH, und Lüddens nährte ein brennendes Interesse für die Anwendung spezifischer MIg zur Aufklärung endokrinologischer Mekanismen der Peptidhormone, die damals nur wenig erforscht worden waren.

Lüddens erhielt deshalb die Aufgabe unter Anleitung von Dr. Lemke mono-klonale Antikörper gegen Epitopen auf der Aussenseite von kortikalen Neben-nierenzellen des Schweines. Dieses Tier wurde als Modell gewählt, da das erforderliche Material leicht und billig vom lokalen Schlachthaus erhältlich war. Unter den monoklonalen Antikörpern, die Lüddens erzeugte, waren zwei von besonderem Interesse. Der eine hemmte die Synthese von Steroidhormonen, während der andere das native Hormon Kortocotropin (ACTH) vertreten konnte, d.h. er stimulierte die Steroidproduktion. Eine Bindungsanalyse nach Scatchard zeigte, dass zwei Plasmamembran-ständige Rezeptoren für ACTH auf den Schweinezellen vorhanden waren, die sich erheblich in ihrer Affinität unter-schieden.

Wir konnten auch zeigen, dass die gefundenen Rezeptoren mit dem GTP-Umsatz gekoppelt waren, welches später von vielen Kollegen bestätigt worden ist. Einer der ACTH-R-spezifischen monoklonalen Antikörpern wurden nun durch UV-Licht-stimulierte Quervernetzung an den ACTH-Rezeptor kovalent verbunden, und das Komplex wurde isoliert. Die molekulare Masse des Rezeptors konnte jetzt durch SDS-PAGE-Elektrophorese bestimmt werden. Leider waren derzeit die für eine Sequenzierung notwendigen gentechnologischen Techniken noch nicht entwickelt worden, weshalb wir die Struktur des ACTH-Rezeptors nicht mit der anderer Plasmamembranproteine vergleichen konnten. Damals waren auch nur wenige solche bekannt. Hartmut Lüddens erhielt die Auszeichnung für seine Promotionsleistung und gewann ausserdem den mit 50000 DM dotierten Ferring-Preis. Er verliess bald Kiel, um bei den NIH in den USA weiter zu arbeiten. Er setzte seine erfolgreiche Laufbahn in der molekularen Endokrinologie am EMBO-Institut für Molekularbiologie in Heidelberg fort, bis er auf einen entsprechenden Lehrstuhl an der Universität von Mainz berufen wurde.

Zusammenarbeit mit der Gruppe von Professor Busse

Herr Dr. Busse hatte H schon in Göttingen kennen gelernt, als der Erstere dort an seiner Promotion arbeitete. Za. 1975 schliess Dr. Busse sich dem Lehrstuhl an. Seine Arbeitsrichtung war nicht-lineare Beziehungen in der Biochemie. Er fing mit reinen Modellsystemen wie die Belousou-Zhabotinski-Reaktion an und dehnte später seine Arbeit auf biologische Rhytmen, glykolytische Relaxations-oszillationen und Musterbildung bei Pilzen aus. Anschliessend lernte er während einem Aufenhalt bei Professor Eisner an Harvard Medical School gen-technologische Methoden, die er zur Sequenzierung der Entwicklungs-bestimmenden HOX-Gene bei der Obstfliege Drosophila melanogaster und dem Huhn anwendete. Die Entwicklungsstudien setzte er mit Arbeiten über die Automatisierung der mikroskopischen Videoregistrierung der Organogenese der Nematode Chaenorhabditis eleganz fort. Ein weiteres Projekt, das er anfing, war die Steuerung der Neuritenbildung durch Plasmamembranständige Rezeptoren. Eine indische Stipendiatin trug zu diesem Projekt bei mit der Herstellung von Membranen, die nach Tränkung mit dem Insektizid Pyrethroid gezielt im Gehirn eines Insekts eingelagert wurden. Dadurch wurde lokal die Dendritenbildung verhindert. Die Technik der Aushängung von Pyrethroid-getränkten, 20 x 20 cm grossen Membranen in z.B. Bananen- oder Baumwolleplantagen sichert einen gezielten, umweltsfreundlichen Schutz gegen Insektenangriffe, die sonst oft zu verheerenden Verlusten von bis zu 50 % der Ernte führen. Diese neue Methode wird kontrollierte Freigabe („Controlled Release“) genannt.

Klinische Forschungsaufträge an dem Lehrstuhl

Die Annahme eines Rufs an einen Lehrstuhl für Physiologische Chemie in einer Medizinischen Fakultät beinhaltet Verpflichtungen die den Unterricht, die Forschung und die Institutsleitung, die auch ein Lehrstuhlinhaber in einer Naturwissenschaftlichen Fakultät aufliegen, übersteigen; denn es wird erwartet, dass der Lehrstuhlinhaber in einer Medizinischen Fakultä im Falle einer klinischen Krise, die nicht mit Routineverfahren bewältigt werden kann, sofort die Ressourcen seines Lehrstuhls zur Verfügung stellt, um einen Beitrag zur Lösung des Problems zu geben. H hat stets solche für ihn ungewohnte Aufgaben begrüsst, da sie ihm interessierten und ihm die Gelegenheit zu zeigen boten, dass seine Anwesenheit in der Fakultät berechtigt war. H war für dieses Vertrauen der klinischen Kollegen dankbar. Gegen 1980 entstand die erste Aufgabe dieser Art.

Äthanolaminose

Ein Oberarzt aus der Universitätskinderklinik teilte H mit, dass er zwei Patienten aus der gleichen Familie gehabt hatte, die vermutlich an einer neuen, erblichen Krankheit litten, die nur symptomatisch behandelt werden konnte, da die Pathogenese unbekannt war. Die Krankheit äusserte sich erst in einem Lebens-alter von etwa 6 Monaten, wo anscheinend sowohl die physische als auch die mentale Entwicklung fast zum Stillstand kamen. Insbesondere die Leber, das Herz und die Milz hypertrophiierten, und die Signalübermittlung vom Hirn zu den Muskeln versagte. Die Kinder starb an Herzversagen in einem Alter von etwa 1½ Jahren. Da die Organvergrösserung auf eine genetische Speicherkrankheit hin-wiess, erhielt H eine kleine Leberprobe aus der Autotopsie zur Analyse. Im Mikroskop war eine erhebliche Zellvergrösserung sichtbar, und Ninhydrin-anfärbbare Konglomerate, die nicht von einer Membran umschlossen waren, häuften sich im Zytoplasma.

Wir isolierten die unbekannte Substanz, die ziemlich homogen erschien und eine kleine, molekulare Masse besass. Sie reagierte nicht nur mit Ninhydrin, was die Anwesenheit einer Aminogruppe bewies, sondern auch mit dem PAS-Reagenz (Perjodat-Aldehyd-Sulfit), weshalb zwei nachbar-gestellte Alkohol- oder Aminogruppen vorhanden sein mussten. Da die Substanz kein Kohlenhydrat war und chromatographisch sich als Äthanolamin verhielt, identifizierten wir vorläufig die Speichersubstanz als Äthanolamin. Anschliessend untersuchten wir die Aktivität des Enzyms, Äthanolaminkinase, das durch Phosphorylierung mit ATP das Äthanolamin für den Einbau in zelluläre Membranen, insbesondere die Plasmamembran, vorbereitet. Da dieses auch bei Neuronen der Fall ist, könnten die neurologischen Ausfälle mit der Bildung defekter, synaptischer Rezeptoren erklärt werden.

Die spezifische Aktivität der Äthanolaminkinase in der patologischen Leberprobe war nur etwa 15 % des Normalwertes für Kinder in dem Alter. Deshalb war das zugehörige Strukturgen des Enzyms vermutlich mutiert. Leider waren derzeit die gentechnischen Verfahren noch nicht so weit entwickelt, dass eine Sequenz-analyse an der kleinen, vorhandenen Substanzmenge möglich war. Deshalb muss eine weitere Analyse der Pathogenese der nächsten Generation von medizinischen Forschern vorbehalten bleiben. Kurz nach der Veröffentlichung der beschriebenen Arbeit wurde ein drittets Kind in Oslo mit den gleichen Symptomen gefunden. Leider konnte auch dieses Kind nicht gerettet werden, da genterapeutische Behandlungen sich nur im Forschungsstadium befanden. Angesichts der Tatsache, dass laut Auskunft der Kinderklinik die Hälfte der in entwickelten Ländern früh sterbenden Kinder ohne Diagnose beerdigt werden müssen, ist es möglich, dass die in Kiel entdeckte, neue erbliche Kinderkrankheit, die Äthanolaminose benannt wurde, eine viel grössere Verbreitung hat, als die wenigen, bekannten Fälle andeuten.

Eine durch Laienbehandlung erworbene Gerinnungskrankheit

Kurz nach der Beendigung des oben beschiebenen Falles, erhielt H einen Anruf von einem Oberarzt aus dem Universitätsklinikum Lübeck mit der Bitte um Hilfe bei der Aufklärung einer unbekannten, akuten Krankheit und der Entwicklung eines Behandlungskonzepts. Der Patient war von einem Prostata-Adenom beschwert, das innerhalb von 14 Tagen operiert werden musste, da sein Harn täglich durch die Bauchwand mit einer Kanüle unter Infektionsgefahr entfernt werden musste. Leider konnte der Patient wegen einer Blutgerinnungsstörung nicht operiert werden. Diese hatte er durch eine Selbstmedikation erworben. Da er eine Krebserkrankung fürchtete, hatte er auf den Rat eines Laienmediziners sich intramuskuläre Injektionen mit einem rohen Pflanzenauszug gegeben in der Hoffnung sich dadurch gegen die Krankheit zu schützten. Leider enthielt der Auszug eine stark immunogene Substanz, die die Bildung eines Antikörpers auslöste, der mit einem Gerinnungsfaktor kreuz-reagierte. Der Oberarzt gab H 14 Tage zur Lösung dieses Problems.

Da Gerinnungsproteine wie andere Blutproteine mit Kohlenhydrate konjugiert sind, riet H, dass eine dieser Gruppen an der Gerinnungsstörung beteiligt war. Wir entfernten deshalb die Kohlenhydrate von den Proteinen in der Blutprobe des Patienten, das uns überlassen worden war. Dadurch wurde die Gerinnungsstörung aufgehoben. Da das Monosaccharid Fukose in der angeknüpfte Kohlenhydratkette nur endgestellt werden kann, rieten wir, dass diese Substanz das verantwortliche Epitop war. Wir konnten die Richtigkeit dieser Annahme durch die Herstellung eines mit Fukose konjugierten Dextrangels bestätigen. Das Gel wurde in eine kleine, chromatographische Säule gegossen, wonach eine Patientenblutprobe durch die Säule gelassen wurde. Da das Eluat zur normalen Gerinnung fähig war, hatten wir den störenden, gegen Fukose gerichteten Antikörper entfernt. Wir lösten dann den Antikörper von der Säule ab und zeigten, dass dieses Eluat die Gerinnung normales Blutes verhindern konnte.

Deshalb hatten wir unsere Hypothese bewiesen. Uns blieb nur noch die Unterbreitung eines Behandlungsvorschlags. Wir empfahlen die Gabe einer hohen Menge des unschädlichen, normal-physiologischen Zuckers Fukose kurz vor der Operation zur kompetitiven Verdrängung des pathologischen Antikörpers von den Gerinnungsfaktoren. Da der Toxikologe in Lübeck keine Einwände hatte, akzeptierten die Kliniker den Vorschlag, und der Patient wurde gerade noch innerhalb der verlangten Zeitfrist erforgreich und ohne Gerinnungskrisen operiert. In restlichen Teil seines Lebens muss der Patient aber Fukose essen, wenn er Schmerzen in seinen Gelenken empfindet, da er weiterhin den schädlichen Antikörper bildet, und da das Epitop in allen Gelenken vorhanden ist.

Ersatzherzklappen vom Schwein

Die Herzchirurgen unseres Klinikums übertrugen uns um 1990 das Problem, dass Schweineherzklappen, die als Ersatz einer sklerotisch beschädigten, humanen Klappe eingesetzt worden war im Laufe weniger Jahren derart verhärdeten, dass sie wieder eretzt werden mussten, da die Rände abbrachen, und da die aus der unzulängliche Schliessung stammende Dysfunktion, d.h. turbulenter Rückfluss, den Patienten mit Embolie bedrohte. Da es Einigkeit darüber bestand, dass die beschleunigte Alterung der Ersatzklappen zum grossen Teil auf die Konservierungsmethode der Schweineklappen zurückzuführen war, bestand unsere Aufgabe in die Entwicklung eines verbesserten Verfahrens. Da das Xenotransplantat immunogen war, war das Ziel der Konservierung die Zerstörung der gefährlichsten Epitope und die Stabilisierung der Klappe.

Das bislang verwendete Verfahren bestand in die Eingabe einer gekühlten Dialdehyd-Lösung in das gekühlte Schweineherz, sobald es durch einen hoch gelegten, horizontalen Schnitt geöffnet worden war. Der Nachteil der Anwendung von Dialdehyden war, das sie nicht rein hergestellt werden konnten, und dass sie die Klappe derart versteiften, dass die Klappe viel von ihrer Flexibilität verlor. H versuchte deshalb mit Hilfe eines Doktoranden die Imidate, die er früher in einem anderen Zusammenhang mit Erfolg benutzt hatte, anzuwenden. Dadurch entstand leider ein neues Problem; denn die Brückenbildung mit diesen Reagenzien setzte so viel Reaktionswärme frei, dass die Klappe lokal denaturierte, weshalb die Klappe viel Flexibilität verlor. Bei den anderen Brücken-bildenden Reagenzien, die in der Biochemie sich sonst sehr bewährt hatten, war das Problem das gleiche. H musste deshalb melden, dass er an die Grenze seiner Fähigkeit gestossen war. Statt dessen entwickelte er ein Gerät zur Messung der Elastizität von natürlichen und chemisch modifizierten Herzklappen, mit dem der Doktorand erfolgreich promovierte.

Mammakarcinomproben deutscher und schwedischer Frauen

Um 1980 wandte das Pathologenehepaar Steinbeck aus Flensburg sich an H mit der Bitte um wissenschaftlichen Beistand bei der Analyse von über 50 Mamma-karzinombiopsieproben, die sie in Zusammenarbeit mit dem in Schweden arbeitenden, deutschen Arzt, Professor Arp, bei deutschen und schwedischen Patientinnen entnommen hatten. Da Dr. Busse und seine Mitarbeiter zusammen mit Dr. Han Bauman vom SFB 111 kurz davor die zwei-dimensionelle SDS-Poly-akrylamid-Elektrophorese in unserem Labor vor Allem zum Zweck der Analyse von Lymphombiopsieproben etabliert hatten, wurde Frau Steinbeck als Doktorandin in der Gruppe von Herrn Dr. Busse die Aufgabe übertragen, die Mammakarzinomproben mit der SDS-PAGE-Methode zu untersuchen.

Sie bearbeitete das umfangreiche Material mit der damals gewöhnlichen Technik auf 20 x 20 cm grosse Gelplatten, auf denen erst eine Elektrofokussierung und anschliessend eine Gelpermeation in SDS durchgeführt wurden. Die auf den Platten durch Amidoschwarz- und Silberfärbung sichtbar gemachten Protein-muster wurden mit bekannten Proteinen geeicht, und die Positionen der Proteinflecken wurden gemessen. Direkte Vergleiche zwischen den Mustern erlaubten eine Klassifikation der Proben, die mit anderen Untersuchungs-

ergebnissen wie die klinische Diagnose und Inhalt von funktionsfähigen Hormon-Rezeptoren korrelliert wurden. Wegen dem Umfang des Materials beschloss die Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Doktoranden Joachim Das, die Methode zu Miniturisieren. Ein neues Elektrophoresegerät, in dem Gelplatten von den Dimensionen 5 x 5 cm untergebracht werden konnten, wurde im Werkstatt des Instituts konstruiert. Diese Gelplatten konnten in Diarahmen eingeschlossen werden, so dass die Proteinmuster von einem Projektionsgerät in grossem Format auf der Wand abgebildet werden konnten. Dadurch wurde die Auflösung der Methode etwa zehnfach erhöht, weshalb neue Proteine, die vorher übersehen worden waren, nun erkannt und registriert werden konnten.

Die Analyse solcher Proteinmuster war schon von einem anderen unserer SFB-Mitarbeiter, Klas Westerbrink, mit topologischen Methoden verfeinert worden. Die Pathologen der Arbeitsgruppe wünschten nun diese matematische Technik auf die Proteinmuster der Mammakarzinomproben zu übertragen. Sie wollten sich aber vorerst auf die Aufgabe der Vorbereitung der schon erhaltenen Ergebnisse auf eine Veröffentligung konzentrieren. Deshalb wurden die vielen Diarahmen mit den Proteinmustern für eine spätere topologische Analyse gelagert. Die vorläufige Präsentation der Arbeit in der Form eines Artikels war erfolgreich, und die Ergebnisse wurden von den Pathologen mit Zufriedenheit entgegen-genommen. Leider wurden diese Diarahmen mit dem Versuchsmaterial während einer Modernisierung des Labors, die im Laufe eines Urlaubs der Gruppe Busse statt fand, von Fremden entfernt und vernichtet. Deshalb muss das ganze Projekt bei der nächsten Gelegenheit neu angefangen werden.

Wissenschaftliche Aufträge aus dem Akademischen Auslandsamt

Zusammenarbeit mit Professor Shao, Hangzhou

Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Partneruniversitäten Kiel und Zhekiang Medical University in China wurden zwei Projekte, die von Herrn Prof. Jingui Shao vorgeschlagen wurden, durchgeführt. Das eine umhandelte eins von Professor Shao durch Elektrophorese entdecktes Antitoxin im Blut der chinesischen Kobraschlange. Wir isolierten das Antitoxin, das sich als ein Protein erwiess. Eine Sequenzanalyse bewies, dass es sich um das Serumalbumin der Schlange handelte, das die zusätzliche Eigenschaft der multiplen Kobratoxin-bindung erworben hatte. Sechs aktive Bindungszentren fanden sich auf dem Molekül, das sonst anderen Serumalbuminen sehr ähnelte. Wir bestimmten auch die Zugänglichkeit der Bindungszentren durch eine kinetische Analyse mit dem Antitoxin, das an einer künstlichen Membran gebunden war, und von einer Toxin-haltigen Lösung durchströmt wurde.

Das andere Projekt, das wir bearbeiteten, war das in Ostasien weit verbreitete Milch-Intoleranz-Problem. Unser Beitrag zur Lösung dieses Problems war die Bereitstellung einer gentechnologisch modifizierten, mikrobiologische Kultur, die Laktase von hoher, spezifischer Aktivität überproduzierte. Diese preiswerte Laktase kann durch Filtrierung gewonnen und direkt in die Milch gestreut werden. Das Enzym spaltet anschliessend die Laktose in ihre unschädliche Monosaccharide. H erstattete etwa 1990 Professor Shao in Hangzhou einen Gegenbesuch, bei dem er eine Reihe von sechs Vorlesungen über biochemische Themen für die Studenten in Hangzhou und in Shanghai hielt.

Zusammenarbeit mit Professor Yu, Jian

Professor Yu hatte aus einer Gurken-ähnlichen, chinesischen Pflanze ein Terpen, Tubeimosin isoliert, den er mit Erfolg zur Behandlung von grossen Tumoren bei Ratten eingesetzt hatte. Er kannte unsere Arbeit im SFB 111 und suchte nun unsere Mitarbeitschaft bei der Aufklärung des Mechanismus von Tubeimosin. Da die Struktur dieser Substanz Ähnlichkeiten zu bekannten Affektoren von Proteinkinase C aufwiess, und da dieses Enzym bei vielen, onkogenen Prozessen eine wichtige Rolle spielt, schlug H vor, dass Tubeimosin in Wechselwirkung mit Proteinkinase C tritt. Wir entwickelten deshalb ein Assay für den Zweck, und H entwarf ausserdem ein Skitzenprojekt über eine Fabrikanlage für die Herstellung ausreichender Mengen an Tubeimosin zur Behandlung der vielen chinesischen Krebspatienten. H besuchte za. 1995 Professor Yu am Institut für Traditionelle Chinesische Medizin und Pharmazie in Jian, um vor Ort die notwendigen Methoden einzuführen. Er hielt bei der Gelegenheit eine Reihe von fünf Vorlesungen für über biochemische Themen für die Studenten.

Zusammenarbeit mit der Universität Tartu, Estland

Die Universität Kiel erhielt vom Forschungs- und Entwicklungskommissariat der EU die Aufforderung im Rahmen eines „Joint European Project“ in eine Zusammenarbeit mit den Universitäten in Lübeck, Stockholm und Turku zu treten mit dem Ziel der Modernisierung des biochemischen Unterrichts und der Forschung an der einzigen Universität Estlands, die in Tartu, die früher als die Universität Dorpat bekannt war. Diese Universität war schon vor 500 Jahren von deutschen Junkern für die akademische Ausbildung ihrer Kinder gegründet worden. Das Rektorat der Christian-Albrechts-Universität übertrug H die Aufgabe als Projektdirektor die lokale Arbeit zu organisieren. Eine Gruppe von fünf Wissenschaftlern aus unserem Institut besuchte zweimal Tartu und hielt bei jedem Aufenhalt za. 10 Vorlesungen über aktuelle biochemische Themen.

Zwei Gruppen von etwa 6 fortgeschrittenen Studenten der Biochemie aus Tartu nahmen über einen Zeitraum von 2 x 4 Monaten an allen Praktika für Fortgeschrittene im Kieler-Institut teil und beteiligten sich an die laufenden Forschungsprojekten am Lehrstuhl. Ausserdem stockten wir die Bibliothek in Tartu mit modernen Lehrbüchern der Biochemie auf. Während der laufzeit des Projektes besuchten etwa Biochemielehrer aus Tartu Kiel, um dort Ratschläge und Anregungen für ihren Unterricht zu sammeln. Die EU beurteilte die Arbeit des Lehrstuhls mit dem Projekt als sehr befriedigend.

Flavonoide

Der Ursprung dieses Projekts war eine Verärgerung, die H erfuhr, als er Prospekte über das Bienenkittharz Propolis empfing, in denen ungerechtfertigte Behauptungen über die weit spannenden Heilwirkungen des Präparats. H setzte sich mit dem Produzenten in Verbindung und warf ihm Unverantwortlichkeit bei der Verbreitung unbewiesener Behauptungen über Propolis vor. Da dieser Imker vernünftig auf den Vorwurf reagierte, nahm H das Angebot an, weitere angeblich wissenschaftliche Ergebnisse über Propolis zu überprüfen. Das Material, das hauptsächlich aus osteuropäischen Quellen stammte, belegte teilweise einige der Aussagen, aber die angewandten Methoden waren veraltet, und die Versuche waren nicht kontrolliert. Da man von einem Imker nicht erwarten kann, dass er einen wissenschaftlichen Versuch korrekt beurteilen kann, nahm H das Angebot an eine Probe von Propolis zu empfangen, um sie selbst zu analysieren.

Chromatographische Analysen ergaben, dass Propolis erhebliche Mengen an Flavonoiden, die bekannten Pflanzenfarbstoffe sind, enthielt. H suchte deshalb in der angesehenen, wissenschaftlichen Literatur nach stichhaltige Informationen über Flavonoide. Er fand eine grosse Anzahl Artikel aus erst-klassischen Instituten und sortierte dieses Material. Insgesamt wurden über 1400 wissenschaftliche Artikel von hoher Qualität bewertet, und das Ergebnis, das die Flavonoide tatsächlich unter geeigneten Bedingungen eine positive Wirkung auf die Gesundheit und die Krankheiten des Menschen haben können, wurde in zwei Übersichtsartikeln veröffentlicht. Beide zogen eine grosse Anzahl von Zitationen an. H empfing über die Jahren viele Propolisproben aus allen Weltteilen und analysierte sie chromatographisch. Sie enthielten im Durchschnitt etwa 25 verschiedene Flavonoide von unterschiedlichen Eigenschaften, die unter Umständen medizinisch genutzt werden könnten.

Zusammenfassung

H hat sich in seiner wissenschaftlichen Laufbahn stets darum bemüht seinen Mitarbeitern die best möglichen Rahmenbedingunge zu sichern. Ausserdem hat er Wert darauf gelegt als Brückenbilder zu dienen.

            zwischen den Nationen,

            zwischen den Naturwissenschaftlern und den Medizinern und

            zwischern der Wissenschaft und der Öffentlichkeit.